Kandidatinnen und Kandidaten aus Goslar nehmen Stellung zu den Forderungen der Aidshilfe zur Landtagswahl

Die Aidshilfe hat zwölf Forderungen zur bevorstehenden Landtagswahl am 09. Oktober 2022 gestellt. Wir haben die Direkt-Kandidaten aus Goslar (Wahlkreis 13) um Stellungnahmen gebeten. Geantwortet haben uns Fabian Degen (Grüne), Stefanie Hertrampf (CDU), Susanne Pfau (FDP), Peggy Plettner-Voigt (Linke) und Christoph Willeke (SPD):
- Etats für Prävention von HIV und Geschlechtskrankheiten ausbauen
HIV- und STI-Prävention brauchen Kontinuität und spezifische Angebote für verschiedene Zielgruppen. Der HIV-Etat wird 2023 um 75.000,00 € und 2024 um 113.000,00 € gekürzt.
- Werden Sie sich dafür einsetzen, die Kürzung zurückzunehmen und den HIV-Etat in Zukunft in vollem Umfang zu erhalten (1.806 Mio. €) und darüber hinaus bedarfsgerecht auszubauen?
Fabian Degen (Grüne): Im Entwurf unseres Landtagswahlprogramms bekennen wir Grünen uns zu der wichtigen Arbeit, die durch die Aidshilfe geleistet wird. Ferner stellen Prävention und Vorsorge wesentliche Bausteine Grüner Gesundheitspolitik dar. Sie dürfen sicher sein, dass ich zu diesen Aussagen stehe. Eine bedarfsgerechte Finanzierung der Präventionsangebote ist ein Ziel, dem ich mich gerne verpflichte. Ich möchte auch anmerken, dass wir aktuell vermutlich eher eine Aufstockung des Budgets brauchen könnten, da die Aufgaben durch den Zuzug ukrainischer Flüchtlinge nicht weniger werden.
Stefanie Hertrampf (CDU): An der Prävention in der Gesundheitsvorsorge zu sparen, heißt höhere Kosten bei der Krankheitsbekämpfung in Kauf zu nehmen. Das ist gesundheits-, gesellschafts- und finanzpolitisch zu kurz gedacht. Deshalb setze ich mich für eine Beibehaltung der Etathöhe ein. Natürlich muss er sich am Bedarf orientieren, aber ich sehe derzeit keine Veränderung im Beratungs- und Unterstützungsbedarf.
Susanne Pfau (FDP): Wir unterstützen Ihre Forderung nach einer angemessenen Finanzierung in vollem Umfang. Auch aus unserer Sicht ist dieser Bereich unterfinanziert. Die Forderung, Ihnen eine verlässliche Förderung zur Verfügung zu stellen, ist daher auch Bestandteil unseres Wahlprogramms. Die von Ihnen erwähnten und von der aktuellen, von SPD und CDU getragenen Landesregierung durchgeführten Kürzungen können und konnten wir nicht nachvollziehen, weshalb sich die Fraktion der Freien Demokraten im Landtag in jeder Haushaltsberatung der vergangenen Legislaturperiode dafür eingesetzt hat, Ihnen (wieder) mehr Mittel zur Verfügung zu stellen.
Peggy Plettner-Voigt (Linke): Ein Mitglied der Partei DIE LINKE aus dem Kreisverband Goslar war Gründungsmitglied der Aidshilfe Goslar, daher hat unsere Partei natürlich einen besonderen Fokus auf die Sorgen und Nöte der Aidshilfe vor Ort.
zu 1.)
Selbstverständlich, da mir die Notwendigkeit einer ausreichenden Finanzierung der Aidshilfe absolut bewusst ist. Unsere Fraktion hat zum letzten Haushalt einen Antrag zur Aufstockung der Haushaltsmittel für die Aidshilfe Goslar eingebracht.
Christoph Willeke (SDP): Auch in Krisenzeiten wie diesen dürfen wir an der Gesundheit nicht sparen.
Vor dem Hintergrund, dass das Virus HIV in der Ukraine (ca. 1% der Bevölkerung) häufiger vorkommt als in Deutschland (ca. 0,1% der Bevölkerung), sind die Einkürzungen angesichts der vielen Flüchtlinge aus der Ukraine nicht haltbar.
Der HIV-Etat muss sich am Bedarf orientieren, genau wie bei jeder anderen Krankheit das auch der Fall sein sollte.
Im Regierungsprogramm der SPD Nds steht "Die Arbeit der Aidshilfe Niedersachsen ist unerlässlich - wir werden sie auch weiterhin unterstützen und finanziell absichern." Diese Aussage möchte ich als Kandidat nochmal unterstreichen.
- Menschen mit HIV vor Diskriminierung schützen
Menschen mit HIV werden nach wie vor strukturell diskriminiert:
- Werden Sie sich dafür einsetzen HIV-Tests bei Einstellung und die Frage nach einer Infektion im Einstellungsgespräch gesetzlich zu verbieten?
- Werden Sie das Merkmal HIV bei allen beamtenrechtlichen Prüfungen abschaffen?
- Setzen Sie sich dafür ein, dass das Merkmal ANST (=ansteckend) bei Menschen mit HIV und Hepatitis aus der polizeilichen Datenbank abgeschafft und vorhandene Vermerke gelöscht werden?
Fabian Degen (Grüne): Zu Frage 1: Hier sind zwei Frageteile enthalten, die ich einzeln beantworten möchte. HIV-Tests im Rahmen eines Einstellungsverfahrens halte ich für nicht statthaft. Diese Auffassung deckt sich weitestgehend mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Eine gesetzliche Verankerung halte ich für zwingend erforderlich, um Betroffene in der Bewerbungssituation zu schützen.
Etwas anders verhält es sich mit der Frage zu einer Infektion. Diese ist schon heute nicht mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vereinbar und darf somit nicht gestellt werden.
Zu Frage 2: Durch wirkungsvolle Medikamente kann bei Menschen mit HIV mittlerweile von einer annähernd normalen Lebenserwartung ausgegangen werden. Zu beurteilen ist ausschließlich die Wahrscheinlichkeit zur Erreichung des Pensionsalters. Dafür sehe ich keine Unterschiede zwischen einer HIV-Infektion und anderen Krankheitsbildern. Vor diesem Hintergrund halte ich das Merkmal bei der beamtenrechtlichen Prüfung für nicht mehr zeitgemäß und bin für eine Streichung.
Zu Frage 3: Das Kürzel ANST führt auf Seiten der betroffenen zu Stigmatisierung und verletzt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Ich kann ein Stück weit das Argument der Sicherheit für die Beamt*innen im Einsatz nachvollziehen. Hier muss aber davon ausgegangen werden, dass diese ohnehin mit einer unvollständigen Datenbasis arbeiten und somit ein Restrisiko bleibt. Ich möchte mich daher für eine Abschaffung einsetzen. Zum Schutz der Einsatzkräfte sollten durch entsprechende Ausrüstung und Einsatzprotokolle geeignete Maßnahmen Risikovermeidung ergriffen werden.
Stefanie Hertrampf (CDU): Diskriminierung darf nicht sein! Erst recht nicht bei Bewerbungen. Allerdings ist jeder Arbeitgeber/-in doch schon jetzt gut beraten, solche Fragen, genau wie nach einer Schwangerschaft, nicht zu stellen. Die Gerichtsentscheidungen sind da eindeutig, eine Nichteinstellung nachdem diese Frage gestellt wurde, kann angefochten werden.
Bei beamteten Personen ist die Lage meiner Meinung nach differenziert zu betrachten, ein abschließendes Bild habe ich mir dazu aber noch nicht gemacht: Zum einen wäre ein beamteter Ansteckender im Einsatz (Polizei, Feuerwehr etc.) ein Risiko für alle Kolleginnen und Kollegen und ebenso für die im Einsatz zu Schützenden. Zum anderen ist es für verbeamtete Personen im Einsatz hilfreich zu wissen, ob ein Gegenüber ansteckend ist um überhaupt die Möglichkeit zu haben, sich und den Anderen zu schützen. Der Staat ist verpflichtet, alles für den Schutz seines Personals zu tun – im Widerstreit dazu stehen die Interessen der in der Datenbank mit einer Eintragung versehenen Personen. Mein Ehemann ist Polizeibeamter und um auch meine Kinder und mich zu schützen muss ausgeschlossen werden, dass er sich in Gefahren begibt, die vermeidbar gewesen wären.
Susanne Pfau (FDP): Wir Freie Demokraten stellen uns jeder Form der Diskriminierung aktiv entge- gen. Die von Ihnen erwähnten HIV-Tests bei Einstellung, die Frage nach einer Infektion im Einstellungsgespräch und auch das Merkmal HIV bei allen beamtenrechtlichen Prüfungen sehen wir daher mehr als kritisch. Wir werden uns deshalb dafür einsetzen, diese abzuschaffen bzw. zu verbieten. Auch das Merkmal ANST (=ansteckend) bei Menschen mit HIV und Hepatitis in der polizeilichen Datenbank sehen wir aus sozial- und gesundheitspolitischer Sicht kritisch.
Peggy Plettner-Voigt (Linke): Die drei Fragen aus dem Punkt zwei, kann ich alle mit „JA“ beantworten.
JA, da ich in den Abfragen keine Sinnhaftigkeit sehe.
Für bestimmte Berufsgruppen die einen expliziten Schutz brauchen, muss die individuelle Sicherheit von den jeweiligen Gruppen ausgehen.
Christoph Willeke (SPD): keine Antwort
- Drogenkonsum entkriminalisieren, Gesundheit schützen
Strafrechtliche Verfolgung von Drogenkonsument*innen schadet deren Gesundheit.
- Wie werden Sie dem entgegenwirken?
- Wie werden Sie Schadensminimierung ausweiten (z.B. Legalisierung des Drugchecking, Substitution, Drogenkonsumräume, Vergabe steriler Konsumutensilien)?
Fabian Degen (Grüne): Zu Frage 1: Ich sehe den Staat in der Verpflichtung, Schaden vom Einzelnen und der Gesellschaft abzuwenden. Drogenkonsumenten schaden sich jedoch in erster Linie selbst. Schäden, die dem Gesundheitssystem durch den Drogenkonsum und daraus resultierenden Behandlungen entstehen, sind im Vergleich zu Schäden aus bspw. Alkoholkonsum oder dem Rauchen vernachlässigbar. Drogenkonsum sollte daher nicht länger strafrechtlich verfolgt werden. Vielmehr sollten die Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden auf die Bekämpfung des Drogenhandels fokussiert werden, während als gesellschaftliche Aufgaben Aufklärung, Prävention und Substitution auszubauen sind.
Zu Frage 2: Aufbauend auf meine erste Antwort begrüße ich auch die Einrichtung legaler Konsumräume, gerne in Verbindung mit der Vergabe steriler Utensilien. Dies dient dem Gesundheitsschutz der betroffenen. Gerade auch in Goslar können wir sehen, wie der Konsum sonst vor aller Augen, unter unwürdigsten Bedingungen vorgenommen wird.
Stefanie Hertrampf (CDU): Jeglicher Drogenmissbrauch und die daraus resultierenden Süchte (Alkohol, Medikamente etc. mit den dann erforderlichen Therapien und Entziehungskuren) kostet uns alle viel Geld und schadet der Gesundheit der betroffenen und den in ihrem Umfeld lebenden Personen. Die bis jetzt bestehende Strafbarkeit hat darauf aus meiner Sicht nur bedingt Einfluss und eine Abschaffung jener daher auch kaum Einfluss.
Eine Schadensminimierung für alle kann auch hier nur durch Prävention und Aufklärungsarbeit erreicht werden, das muss schon in der Schule und im Elternhaus beginnen.
Susanne Pfau (FDP): Auch wir sehen, dass die strafrechtliche Verfolgung von Drogenkonsumenten viele negative Auswirkungen hat. Aus diesem Grund begrüßen wir als Freie Demokraten, dass der Koalitionsvertrag auf Bundesebene die Einführung einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften vorsieht. Dadurch wird die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet. Ähnliche Forderungen hatten wir in Niedersachsen bereits 2018 im Landtag mit dem Entschließungsantrag "Cannabis entkriminalisieren - Jugendliche schützen, Verbraucherschutz und Prävention ermöglichen" Dr.s 18/1066 erhoben. Selbstverständlich setzen wir uns auch über die Frage der Cannabisfreigabe hinaus für eine Schadensminimierung ein und wollen die hierzu bestehenden Angebote wie z.B. die Substitution stärken.
Hinsichtlich des Drugchecking sind wir der Auffassung, dass es Chancen und Risiken bietet. Diese sollten wir zunächst anhand von Modellprojekten untersuchen. Drugchecking bietet Chancen, da der Gesundheitsschutz der Konsumenten gestärkt und ein besserer Einblick in den Drogenmarkt und die im Um- lauf befindlichen Drogen ermöglicht wird. Allerdings birgt Drugchecking auch Risiken. Nicht jedes Produkt kann sofort auf alle gefährlichen Inhaltsstoffe überprüft werden, somit bietet Drugchecking nur eine eingeschränkte Sicherheit. Weiterhin besteht das Risiko, dass Drogen, bei denen mithilfe des Tests gefährliche Inhaltsstoffe nachgewiesen wurden, von Konsumenten an Dritte weiterverkauft werden.
Peggy Plettner-Voigt (Linke): DrogenkonsumentInnen sollten meiner Meinung nach entkriminalisiert werden. Verschiedene Drogen sollten legalisiert werden, eine jahrelange Forderung der LINKEN.
Christoph Willeke (SPD): Auch Sucht und Drogenkonsum ist leider in unserer Gesellschaft ein allgegenwärtiges Thema. Online-Beratung und die Suchtberatung im Allgemeinen muss gestärkt werden, aber auch die Prävention spielt wieder eine wichtige Rolle. Wir müssen junge Menschen erreichen und die Folgen von Drogenkonsum sichtbarer machen. Junge Menschen erreicht man dabei meist online, hier ist es wichtig, dass Jugendliche aber natürlich auch alle anderen Gruppen, sofort an richtige Informationen gelangen und Falsch-Informationen möglichst garnicht auftauchen.
- Gesundheitsversorgung für Inhaftierte Menschen verbessern
Im Strafvollzug liegen bislang ungenutzte Chancen zur Beendigung von HIV und Hepatitis C (HCV).
- Was werden Sie tun, um die Behandlungen von Infektions- und Suchterkrankungen entsprechend den Standards in Freiheit zu garantieren (z.B. HIV-/HCV-Behandlung, Impfungen, Substitution, Prä-Expositionsprophylaxe)?
- Werden Sie sich für die Vergabe von Konsumutensilien, z. B. sterilen Spritzen, in Haft einsetzen?
Fabian Degen (Grüne): Hier gestatten Sie mir, beide Fragen gemeinsam zu beantworten und dabei mit dem zweiten Teil zu beginnen. Diese Frage finde ich persönlich ausgesprochen schwierig. Aus einem ersten Impuls würde ich zu einem „JA“ tendieren. Dann schließt sich aber die Frage an, wie die Konsumenten im Strafvollzug an die Drogen gelangen. Auch mir ist bekannt, dass dies in deutschen Gefängnissen durchaus möglich zu sein scheint. Nun aber gleiche Konsummöglichkeiten wie außerhalb zu eröffnen wäre die Kapitulation unseres Strafvollzugs vor dem Drogenhandel. Ferner denke ich, dass eine Drogensucht und Versuch der gesellschaftlichen Rehabilitation widersprüchlich sind. Der Durchschnitt rückfälliger Straftäter liegt bei ca. 34%. Hier sehe ich einen Grund darin, dass in der Haft die Rehabilitation für eine Straftat erfolgt, aber gleichzeitig die Ursache dieses Verhaltens oftmals gar nicht angegangen wird. Was wir brauchen ist eine medizinische Versorgung im Strafvollzug, die ausreichend Kapazität hat, um z. B. eine Substitutionstherapie durchzuführen. Es ist nicht akzeptabel, dass die Behandlungsangebote in Haft weniger gut ausgebaut sind als in Freiheit. Im Interesse der Gesellschaft müssten sie vermutlich sogar besser ausgebaut werden, dass die Fallzahlen in Haft prozentual deutlich über dem gesellschaftlichen Durchschnitt liegen.
Stefanie Hertrampf (CDU): Die ärztliche und medikamentöse Versorgung in der Haft darf nicht schlechter sein als für den Rest der Gesellschaft. Denn es nützt niemandem wenn ein Mensch krank aus der Haft kommt obwohl dieser, entsprechend behandelt, gesund hätte sein können. Konsumutensilien in der Haft vorzuhalten ist nach meiner Meinung durchaus sinnvoll, aber nur dann möglich, wenn wir dies genauso außerhalb von Gefängnissen anbieten werden – Diskriminierung geht in beide Richtungen!
Susanne Pfau (FDP): Ihre Forderung, dass Behandlungen von Infektions- und Suchterkrankungen entsprechend den Standards in Freiheit zu garantieren sind, teilen wir. Wir wollen überprüfen, warum dies bisher nicht der Fall ist und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Fehlende finanzielle Mittel können kein Grund sein, Krankheiten nicht zu behandeln.
Ja, wir werden uns für die Vergabe von Konsumutensilien, z. B. sterilen Spritzen in Haft einsetzen.
Peggy Plettner-Voigt (Linke): Eine Gleichheit der medizinischen Versorgung für ALLE Menschen ist für mich ein unbedingtes MUSS. Alle Menschen sollten einen gleichen Zugang zur Gesundheitsversorgung haben.
Die Spritzenautomaten in Gefängnissen sind absolut erforderlich.
Christoph Willeke (SPD): Über die medizinische Versorgung in Gefängnissen informiert unser Regierungsprogramm: “Die medizinische und psychiatrische Versorgung der Gefangenen ist angesichts des Ärztemangels im Vollzug eine zunehmende Herausforderung. Die Möglichkeiten der Telemedizin werden wir zur Entlastung nutzen. Ferner setzen wir auf den Ausbau von Kooperationen mit externen Partnern wie Kliniken und Großpraxen. Über Stipendien und die Kooperation mit Hochschulen werden wir ärztliches und psychiatrisches Personal für den Justizvollzug gewinnen.”
- Sexarbeit ist Arbeit: Rechte und Absicherung von Sexarbeiter*innen stärken
Es gibt Bestrebungen, Sexarbeit noch stärker zu regulieren oder in die Illegalität zu drängen.
- Was werden Sie tun, um Rechte von Sexarbeiter*innen und soziale Absicherung zu stärken?
- Wie werden Sie Zugänge zu Prävention, Hilfs- und Beratungsangeboten und gesundheitlicher Versorgung sicherstellen?
- Werden Sie sich für eine dauerhafte Finanzierung der Beratungsstellen für Sexarbeit einsetzen?
- Wie stehen Sie zum Nordischen Modell?
Fabian Degen (Grüne): Zu Frage 1: Schon heute besteht die Möglichkeit einer Sozialversicherung. Diese Option wird jedoch nicht wahrgenommen, bzw. nur von einer überschaubaren Minderheit. Die Problematik sehe ich hier im Umgang mit den Daten und der Angst vor dem Bekanntwerden der eigenen Tätigkeit und daraus folgender Stigmatisierung. Hier gilt es an zwei Stellschrauben zu drehen. Auf der einen Seite brauchen wir bessere Beratungsangebote für Sexarbeiter*innen, die zunächst vertraulich zu den Möglichkeiten sozialer Absicherung informieren. Gleichzeitig muss eine Überarbeitung der Gesetzgebung her. Hier muss es darum gehen, die Daten der Sexarbeiter*innen effektiv zu schützen und vor Missbrauch zu bewahren.
Zu Frage 2: Wichtig sind hier Verfügbarkeit, Erreichbarkeit und Barrierefreiheit von Präventions- und Beratungsangeboten. Es wird nicht möglich sein, in jedem Ort eine feste Anlaufstelle einzurichten und zu finanzieren. Erste Projekte der aufsuchenden Beratung halte ich jedoch für gut und unterstützenswert. Diese Angebote müssen auch die Überbrückung der Sprachbarriere berücksichtigen. Weiterhin sollte dabei Wert auf die Wahrung der Anonymität gelegt werden, um zunächst eine Vertrauensbasis mit den Sexarbeiter*innen zu schaffen.
Zu Frage 3: Ja
Zu Frage 4: Hier müsste die Frage eigentlich lauten, ob man Sexarbeit/Prostitution für eine legitime Form der Erwerbstätigkeit hält. Ich persönlich bin der Meinung, dass das Nordische Modell sich negativ auf die Lebens- und Arbeitssituation von Sexarbeiter*innen auswirken würde und somit abzulehnen ist.
Stefanie Hertrampf (CDU): Eine soziale Absicherung von in der Sexarbeit tätigen Personen ist leider viel zu selten vorhanden. Das liegt zunächst daran, dass die Personen von sich aus tätig werden müssen, viele wissen gar nicht, welche Möglichkeiten sie haben. Sei es, dass ihnen die Infos nicht zugänglich sind oder sie in der Zwangsprostitution tätig sind ohne Deutschkenntnisse zu haben. Über ausreichend eigene finanzielle Mittel zur Möglichkeit der Absicherung verfügen zudem die Wenigsten.
Schon daran wird deutlich, dass das Beratung- und Aufklärungsangebot dringend erforderlich und finanziell natürlich auszustatten ist. Der Zugang dazu muss niederschwellig möglich sein. Leider wird dies flächendeckend sich nicht realisieren lassen. Das Hauptaugenmerk muss aber auf der Information der Personen liegen und welche Möglichkeiten es gibt, die Personen überhaupt zu erreichen. Solange Prostitution immer noch als „Schmuddelarbeit“ angesehen, die sexarbeitenden Personen verachtet und die Freier nur mild belächelt werden, wird sich kaum etwas Grundlegendes an der Situation verändern. Hier gilt es, ein gesellschaftliches Umdenken voran zutreiben. Was in Schweden und anderswo möglich ist, sollte auch bei uns umgesetzt werden. Insofern halte ich das sog. „Nordische Modell“ für ein schon erprobtes, durchaus mit Erfolg gekröntes, Modell. Anpassungen, Veränderungen sind sicherlich nötig, um eine möglichst breite Akzeptanz zur Umsetzung in unserer Gesellschaft zu erreichen. Denn das seit 1.7.2017 geltende Prostitutionsschutzgesetz (ProstSchG) hat leider nicht den gewünschten Erfolg einer Verbesserung der Situation von sexarbeitenden Personen gebracht und eine Evaluierung wäre dringend nötig!
Susanne Pfau (FDP): Für uns als Freie Demokraten ist klar, Prostitution ist eine gesellschaftliche Realität, die mit Risiken verbunden ist. Es ist eine Aufgabe der Politik, Stigmatisierung, Diskriminierung und gesellschaftlicher Marginalisierung von Sexarbei- terinnen und Sexarbeitern vorzubeugen, indem die soziale und rechtliche Lage von Prostituierten verbessert wird. Dementsprechend hat sich die Fraktion der Freien Demokraten auch bereits in der Vergangenheit im Entschließungsantrag "Kein Sexkaufverbot nach Nordischem Modell - Betroffenen helfen und nicht in die Illegalität abschieben - Prostitutionsberatung stärken" Drs. 18/8707 positioniert, der leider durch SPD und CDU abgelehnt wurde. Dieser Antrag enthielt auch die von Ihnen gestellten Forderungen. Wir stehen dazu, dass die Kriminalisierung von käuflichen sexuellen Dienstleistungen kontraproduktiv ist und lehnen das Nordische Modell ab. Statt Verbote zu fordern, die lediglich einen Signalwert haben, in ihrer Effektivität aber zweifelhaft sind, müssen die Rechte von Prostituierten gestärkt und Maßnahmen entwickelt werden, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Es ist für uns selbstverständlich, dass der Zugang zu Prävention, Hilfs- und Beratungsangeboten sowie zu einer angemessenen gesundheitlichen Versorgung gewährleistet sein muss. Wir werden uns daher dafür einsetzen, notwendige Mittel zur Verfügung zu stellen.
Peggy Plettner-Voigt (Linke): Prostitution muss aus der Illegalität heraus geholt werden. Alles was diese Illegalität verstärkt, muss vermieden werden.
Prävention, Hilfs- und Beratungsangebote werde ich aktiv unterstützen. Meine jahrelange Arbeit als Elternvertreterin (z.Z. Kreiselternratsvorsitzende Goslar) hat mich für diese Bereiche sensibilisiert. Und natürlich gehört eine vernünftige und konstante Finanzierung der jeweiligen verantwortlichen Stellen dazu.
Zum nordischen Modell kann ich keine Stellung beziehen.
Christoph Willeke (SPD): keine Antwort
- Frauen mit HIV in Forschung und Beratung sichtbarer machen
Interdisziplinäre Ansätze, vaginale Entbindungen, begleitetes Stillen - gender- und altersspezifische Versorgung von Frauen und Kinder mit HIV konnten bisher nicht in allen Regionen Niedersachsens ausreichend thematisiert werden.
- Werden Sie sich für eine Ausweitung der Mittel für eine Landeskoordination für Frauen und Familien mit HIV einsetzen?
Fabian Degen (Grüne): Diese Frage möchte ich losgelöst von dem Begriff HIV beantworten. Eine gerechte, gute Gesundheitspolitik setzt voraus, dass jeder Mensch in unserem Land den gleichen Zugang zu Ärzten, Beratungs- und Präventionsangeboten erhält. Dieser Zugang darf nicht von der Frage des Wohnorts oder des sozialen Standes beeinflusst werden. Daher muss die Antwort „JA“ lauten.
Stefanie Hertrampf (CDU): Eine Stärkung einer Landeskoordination ist nötig und sinnvoll. Die Langzeitfolgen einer Erkrankung mit HIV sind nicht ausreichend bekannt und erforscht.
Susanne Pfau (FDP): Ja, wir werden uns für eine Ausweitung der Mittel für eine Landeskoordination für Frauen und Familien mit HIV einsetzen.
Peggy Plettner-Voigt (Linke): Natürlich werde ich mich für eine Ausweitung der Mittel für die Landeskoordination für Frauen und Familien mit HIV einsetzen, wie oben schon erwähnt, ist mir völlig bewusst, wie wichtig eine ausreichende und konstante Finanzierung in allen Bereichen ist.
Christoph Willeke (SPD): keine Antwort
- Medizinische Versorgung für ALLE Menschen
Menschen ohne Aufenthaltspapiere oder Krankenversicherung haben keine Chance auf eine medizinische Versorgung z. B. in Form einer HIV-Therapie oder der Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP).
- Wie werden Sie dem entgegenwirken?
Fabian Degen (Grüne): Auch hier sehe gerade für Menschen ohne Aufenthaltspapiere die Problemstellung losgelöst von bspw. HIV. Festgehalten werden muss, dass der Zugang zu medizinischer Versorgung eingeschränkt vorhanden ist, jedoch faktisch nicht funktioniert. Hauptgrund dafür ist die Pflicht der zuständigen Sozialämter, Menschen ohne regulären Aufenthaltsstatus an die Ausländerbehörde zu melden. Hier wäre zu diskutieren, ob eine Änderung des §87 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG sinnvoll wäre, um eine anonyme Behandlung zu ermöglichen. Dafür setzen wir uns auch auf der Bundesebene ein. Gleichzeitig gehört der Prozess der so genannten Bedürftigkeitsprüfung überarbeitet, da es Menschen in dieser Notlage faktisch nicht möglich ist, die notwendigen Unterlagen vorzulegen.
Auch verweisen möchte ich auf ein Modellprojekt unter Grüner Regierungsbeteiligung. Damals bestand für Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus die Möglichkeit einen anonymen Krankenschein zu erhalten. Dieses Projekt wurde von SPD und CDU beendet.
Stefanie Hertrampf (CDU): Unser gutes Gesundheitssystem weist dennoch viele (L-)Tücken auf, gerade in Bezug auf Menschen ohne Aufenthaltspapiere. Wie das Ganze möglichst unbürokratisch durch Politik und Krankenkassen zeitnah im Sinne der betroffenen Personengruppe zu lösen ist, müssen die Genannten aushandeln. In diesen Prozess will ich mich gerne mit einbringen.
Susanne Pfau (FDP): Wir setzen uns für eine gute medizinische Versorgung aller Menschen ein. Das betrifft auch die Behandlungen von Infektions- und Suchterkrankungen. Speziell für Menschen ohne Aufenthaltspapiere oder Krankenversicherung sind wir der Auffassung, dass das Land und die Kassen gemeinsam nach einer tragfähigen Lösung suchen müssen.
Peggy Plettner-Voigt (Linke): Das Thema ist ein bundespolitisches Thema, das DIE LINKE in ihrem Parteiprogramm thematisiert.
Christoph Willeke (SPD): keine Antwort
- Flächendeckend (Schnell-)Testangebote
- Wie werden Sie dafür Sorge tragen, dass Menschen flächendeckend einen Zugang zu anonymen und niedrigschwelligen (Schnell-) Testangeboten haben, auch in ländlichen Regionen?
- Werden Sie Einsendetests fördern?
Fabian Degen (Grüne): Zu Frage 1: Ich könnte mir gut vorstellen, dass dieses Angebot bspw. auf Apotheken ausgeweitet wird, die über ein dichteres Netz auch im ländlichen Bereich verfügen.
Zu Frage 2: Gerade bei einem so sensiblen Thema muss sichergestellt werden, dass qualitativ hochwertige Tests zur Anwendung kommen. Die Nutzung eines Tests darf nicht an der Frage der persönlichen finanziellen Situation scheitern. Daher sollte hier eine Förderung für Menschen in schwierigen finanziellen und sozialen Verhältnissen diskutiert werden.
Stefanie Hertrampf (CDU): Schnelltests sind immer wichtig und sollten daher in Arztpraxen und Apotheken, also flächendeckend, erhältlich sein. Bei Online-Käufen ist die Seriosität oftmals fraglich. Gleiches gilt für Einsendetests sofern die Labore nicht zertifiziert sind. Dies gilt es sicher zu stellen.
Susanne Pfau (FDP): Für einen verantwortungsbewussten Umgang mit diesem Thema und zur besseren Prävention solcher Krankheiten fordern wir in unserem Landtagswahlprogramm, dass landesweit kostenfrei anonyme Tests auf jegliche sexuell übertragbaren Krankheiten angeboten werden. Einsendetests sind dabei für uns eine sinnvolle Ergänzung, die es zu fördern gilt.
Peggy Plettner-Voigt (Linke): Schnelltest sind mittlerweile in den Apotheken und im Internet erhältlich. Schnelltestangebote müssten für mich immer mit einer anschließenden Beratung verbunden sein.
Christoph Willeke (SPD): Wichtig ist weiterhin, dass wir die Dunkelziffer möglichst niedrig halten. Dafür müssen wir Tests verfügbar machen und auch das Testen als solches aktiver bewerben.
Wie es Anfangs bei Corona der Fall war, so müssen wir unbedingt die Infektionketten genau im Blick haben. HIV ist natürlich nur schwer zu verfolgen, trotzdem müssen wir zu diesen Aufwand aufnehmen und auch mit Datensätzen von wie z.B. von sozialen Netzwerken arbeiten um eventuelle Überlappungen ausfindig zu machen und die teilweise unwissentlichen Überträger zu finden.
- Sicherstellung einer flächendeckenden, qualitativen Versorgung von Menschen mit HIV
Menschen mit HIV müssen Zugang zu medizinischer Versorgung in der Nähe ihres Wohnortes haben. Niemand sollte in Niedersachsen für eine ärztliche Versorgung mehr als 100 Kilometer fahren müssen.
- Wie werden Sie die Versorgung von Menschen mit HIV verbessern?
Fabian Degen (Grüne): Die flächendeckende, qualitative Versorgung stellt besonders im ländlichen Raum ein generelles Problem unseres Gesundheitssystems dar. Die angesprochene Versorgung von Menschen mit HIV ist dabei nur ein Beispiel von vielen. Wir möchten insgesamt für eine Verbesserung der Situation sorgen, indem wir zunächst eine Bedarfsplanung vornehmen, die Über- und Unterversorgung erfasst, Kapazitäten sinnvoll verteilt und Mindesterreichbarkeitsstandards festlegt. Im übrigen Vorschläge, die von der Enquetekommission zur Sicherstellung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung in Niedersachsen erarbeitet wurden. Bisher fehlt es an der Umsetzung durch SPD und CDU.
Stefanie Hertrampf (CDU): Für unsere Region sehe ich diese Forderung als erfüllt an, auf gesamt Niedersachsen trifft das nach meiner Kenntnis ebenfalls zu.
Susanne Pfau (FDP): Für uns als Freie Demokraten ist Gesundheit eine Grundvoraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Daher brauchen wir in Niedersachsen eine flächendeckende und vor allem qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung durch alle Anbieter von Gesundheitsleistungen und selbstverständlich auch für alle gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Wir wollen daher das Gesundheitssystem insgesamt zukunftssicher aufstellen. Ein wichtiger Baustein in einem Flächenland wie Niedersachsen ist dabei für uns die Telemedizin/E-Health. Wir Freie Demokraten sind der Überzeugung, dass der Einsatz digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung leisten kann. Um die Potenziale und Vorteile digitaler Gesundheitsleistungen für Patienten und medizinisches Personal voll ausschöpfen zu können, wollen wir alle Akteure im Gesundheitswesen in die Lage versetzen, E-Health-Anwendungen zu verstehen.
Peggy Plettner-Voigt (Linke): Meiner Meinung nach, ist in Niedersachsen eine gesundheitliche Versorgung von HIV Infizierten im Bereich von 100 km gewährleistet, vor allem im Bereich Goslar, siehe Göttingen, Braunschweig und Hannover. Aus der eigenen beruflichen Praxis weiß ich, dass HIV Infizierte absolut gleich behandelt werden. Siehe Punkt 2, die spezifischen Berufsgruppen müssen sich eigenverantwortlich schützen.
Christoph Willeke (SPD): keine Antwort
- Verbesserung der Versorgung mit der PrEP (Prä-Expositionsprophylaxe)
In Niedersachsen gibt es aktuell 20 Ärzt*innen, die die PrEP verordnen dürfen – für ein Flächenland wie Niedersachsen zu wenig. So verhindern strukturelle Mängel den Schutz vor HIV.
- Wie werden Sie die flächendeckende, qualitative Versorgung mit der PrEP sicherstellen?
Fabian Degen (Grüne): Hier muss in erster Linie Aufklärungsarbeit bei den Ärzt*innen geleistet werden und ein Anreiz geschaffen werden, um an notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen. Gleichzeitig muss aufgezeigt werden, dass der Aufwand zur Begleitung durch die Nutzung einer App wie prepared in einem sehr überschaubaren Rahmen gehalten werden kann.
Stefanie Hertrampf (CDU): Die Versorgung und Verordnung mit der PrEP muss durch Absprachen mit und Anreize für die Ärzteschaft verbessert werden. Allerdings kann dies kein „Freifahrts-Schein“ für (geplante kurzzeitige) sexuelle Kontakte sein. Ein verantwortungsbewußter Umgang mit dieser Möglichkeit sollte erkennbar sein. Ansonsten bietet sich die Verwendung von Kondomen als Alternative an, so wie auf der Seite der Deutschen AIDS-Hilfe erläutert.
Susanne Pfau (FDP): Wir teilen Ihre Auffassung, dass die Versorgung mit PrEP deutlich verbessert werden müsste. Als erster Schritt müsste sichergestellt werden, dass die Landesregierung eine genaue Übersicht über die aktuelle Situation erhält. Dies hat die Fraktion der Freien Demokraten im Landtag Niedersachsen bereits versucht anzustoßen, indem sie zwei Fragen zu diesem Komplex an die Landesregierung gerichtet hat "Ein Jahr PrEP auf Rezept" Drs. 18/9294 und "Ein Jahr PrEP auf Rezept (Teil 2) - wusste die Landesregierung immer, worum es ging?" Drs. 18/9690. Sobald dies sichergestellt ist, sollte in Zusammenarbeit mit der Ärzteschaft überprüft werden, wie die Situation verbessert werden kann.
Peggy Plettner-Voigt (Linke): Eine Verbesserung der Versorgung mit der Prä-Expositionsprophylaxe ist, denke ich absolut erforderlich. Die flächendeckende Umsetzung wird schwierig, siehe die Hausarztversorgung in Niedersachsen.
Christoph Willeke (SPD): keine Antwort
- Selbstbestimmung und diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung für trans* und abinäre Personen
- Was werden Sie zum Abbau der Hürden im Bereich der (sexuellen) Gesundheit für trans* und abinäre Personen tun?
- Unterstützen Sie das Selbstbestimmungsgesetz auf Bundesebene?
Fabian Degen (Grüne): Zu Frage 1: Eines unserer erklärten Ziele ist die stärkere Berücksichtigung der Belange von inter*, trans* und nichtbinären Personen in der medizinischen Ausbildung. Damit wollen wir für ihre besonderen Bedarfe sensibilisieren und ihre Sichtbarkeit erhöhen. Kurzum, es geht um das Schaffen von Normalität in einem Themenfeld, das für viele Menschen noch mit Hemmungen und Vorurteilen belastet ist.
Zu Frage 2: JA
Stefanie Hertrampf (CDU): In unserer Gesellschaft und mithin auch im Gesundheitswesen soll und muss sich jeder Mensch wiederfinden können. Da hilft nur Aufklärung und entsprechende Schulung. Allerdings wird dies nicht zu einem zeitnahen Umdenken führen – hier ist Ausdauervermögen gefragt! Dies zeigt auch das Abstimmungsergebnis im Mai 2021 im Bundestag zur Aufhebung des Transsexuellengesetzes und Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes, wo gerade mal 20% der Abgeordneten dafür stimmten.
Susanne Pfau (FDP): Für uns als Freie Demokraten umfasst das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch das Recht auf einen selbstbestimmten Umgang mit der eigenen geschlechtlichen Identität. Eventuell bestehende Hürden im Bereich der (sexuellen) Gesundheit für trans* und abinäre Personen wollen wir durch Fortbildungsangebote für Gesundheitsdienstleistende absenken.
Das derzeitige Transsexuellengesetz (TSG) sollte unserer Auffassung nach abgeschafft und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt werden, da das TSG eine solche Selbstbestimmung nicht gewährleistet, sondern insbesondere trans* und nichtbinäre Personen benachteiligt. Schon seit 2015 empfiehlt der Europarat seinen Mitgliedstaaten über die Resolution 2048, dass Personen "schnell und transparent" eine Änderung der Geschlechtsangabe möglich gemacht werden soll. Das Verfahren solle allein auf der selbstbestimmten Entscheidung der jeweiligen Person beruhen. Diese Empfehlung hat die alte Bundesregierung gänzlich ignoriert. Umso mehr freuen wir uns, dass die Ampel- Parteien im Koalitionsvertrag vereinbart haben, das Transsexuellengesetz durch ein „Selbstbestimmungsgesetz“ zu ersetzen und dass dieses Vorhaben von Bundesjustizminister Marco Buschmann zeitnah umgesetzt werden soll.
Peggy Plettner-Voigt (Linke): Absolut unterstütze ich das Selbstbestimmungsgesetz. Die Selbstbestimmung ist ein wichtiger Schritt nach vorn. Für mich bedarf es auch einer inhaltlichen Überarbeitung des Gesetzes.
Christoph Willeke (SPD): keine Antwort
- Aufklärung über sexuelle Gesundheit bei jungen Menschen verbessern
Um junge Menschen angemessen aufzuklären, wenn sie sexuell aktiv werden, sollten Themen rund um sexuelle Gesundheit und Selbstbestimmung mehr Platz in den Lehrplänen erhalten und zeitgemäßer gestaltet werden. Insbesondere auf dem Land sind Schulen mangels anderer Angebote wie z. B. Aidshilfen oder queere Zentren für Jugendliche die einzige Anlaufstelle.
- Wie werden Sie die Aufklärung von jungen Menschen verbessern?
Fabian Degen (Grüne): Wir wollen die Sensibilisierung für queere Vielfalt in der Lehrer*innenaus- und Weiterbildung verankern. Schulen sollen Lehrkräfte als Ansprechpartner*innen für diese Belange benennen und klare Regelungen für den nichtdiskriminierenden Umgang insbesondere mit trans*, inter* und nichtbinären Menschen treffen. Gleichzeitig wollen wir den Aufbau queerspezifischer Kompetenzen in der Jugendarbeit fördern.
Stefanie Hertrampf (CDU): Junge Menschen müssen in der heutigen Zeit viele Informationen verarbeiten und haben ganz anderen Zugang zu solchen als noch vor 15 Jahren. Vieles erarbeiten sie sich bei Interesse sicherlich selber, fraglich ist welchen Wert diese Infos dann haben. Insofern bleibt als verlässliche Informationsquelle nur die Schule und entsprechende Info-Angebote von Vereinen und Verbänden. Deshalb müssen diese aber auch alle heutigen Möglichkeiten nutzen, um die Kinder und Jugendlichen zu erreichen.
Susanne Pfau (FDP): LSBTIQ*-Feindlichkeit und -Stigmatisierung stellen wir uns entschieden entgegen und streben eine vollständige Gleichstellung von LSBTIQ*-Menschen an. Maßnahmen und Projekte, die aktiv gegen Diskriminierung von LSBTIQ*-Personen vorgehen, wollen wir fördern - auch in ländlichen Räumen. Dies betrifft etwa psychosoziale Beratungsarbeit, Aufklärungs- und Toleranzprojekte in Schulen sowie Projekte für Erwachsene oder Seniorinnen und Senioren.
Peggy Plettner-Voigt (Linke): Im Zuwendungsbescheid für die Aidshilfe Goslar ist die Aufklärung und Prävention in Schulen als Schwerpunkt verankert.
Als Mitglied des Landeselternrates bin ich aktiv in die Gestaltung der Kerncurricula (Lehrpläne) eingebunden, uns Eltern sind die Selbstbestimmung und die Aufklärung sowie Prävention in allen Bereichen immer sehr wichtig und ein großes Anliegen, das wir aktiv befördern.
Ich werde selbstverständlich dafür Sorge tragen, dass finanzielle Mittel für die sexuelle Gesundheitsvorsorge, für die Aufklärung und die Prävention sicher gestellt werden.
Christoph Willeke (SPD): Wir müssen darüber hinaus weitere Ansteckungen unbedingt verhindern. Die Infektionswege sind durchaus bekannt: Hier müssen wir aufklären. Das Land hat mit der Zuständigkeit Bildung hier Möglichkeiten großes Leid vorzubeugen.
Es gibt viele Herausforderungen für eine erfolgreiche Arbeit der Aidshilfe. Dazu sind wir auf politische Unterstützung angewiesen. Wir danken den Kandidierenden für ihre Antworten und Stellungnahmen und wünschen viel Erfolg für die bevorstehende Landtagswahl.
Vielleicht helfen Euch/Ihnen die Antworten dieser Kandidatinnen und Kandidaten für Goslar (Wahlkreis 13) bei der Entscheidung zur Wahl am 09. Oktober 2022.
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